4. Juni 2014

Dr. Kurt Hanuschke mit dem Kinderleihdienst im Kinderkino

Als ehrenamtlich bestellter Kinderfilmexperte der OSZE wurde ich wieder mal ins Kino geschickt.
Dr. Kurt Hanuschke mit dem Kinderleihdienst im Kinderkino
Als ehrenamtlich bestellter Kinderfilmexperte der OSZE wurde ich wieder mal ins Kino geschickt. Ich öffnete den versiegelten Brief, den mir mein vom Staate zugewiesener Postbote überbrachte. »Rio 2«! Jetzt mussten nur noch Kinder her. Der Paritätische Kinderleihdienst Sachsen war mir dabei behilflich und vermittelte kurzfristig ein Mädel und einen Buben.

Cordula und Jochen freuten sich sehr, mit einem Honoratiore wie mir ins Kino gehen zu dürfen. Am Schalter verlange ich Karten für »Dino 2« und ernte ein „hää?“ in Kombination mit einem verständnislosen Blick. Rasch bemerke ich meinen Fauxpas, tausche das „D“ gegen ein „R“ und lasse das „n“ weg.

Blöderweise habe ich meinen Presseausweis in der Schmutzwäsche vergessen und zahle ohne auf die Wichtigkeit meiner Person aufmerksam zu machen, den vollen Preis. Beim Kartenabreißer bemerkt Jochen, dass ich nur Karten für die 2D-Vorstellung erworben habe. Das Geningel ist groß und ich bin emotional gezwungen das bevorstehende Kinoerlebnis upzugraden. Der Saal ist bereits mit fünf Menschen besetzt und wir sitzen direkt in der Mitte mit horizontal verlaufendem Blickwinkel zur Leinwand. Nach dem sich noch eine Großfamilie mit orgelpfeifenartigen Nachwuchs vor uns platziert hat, diverses Werbegedöns an uns vorüber gezogen ist und wir uns unsere Wayfarer für Arme auf den Nasenrücken positioniert haben, geht’s los. Da der Animationsfilm »Rio« heißt, befinden wir uns auch sofort im quietschbunten Rio, wo selbst die Favelas aussehen wie die hängenden Gärten der Semiramis. Alles Leckermukaku, WM-014 ick hör Dir trapsen.

Die Haupthelden sind eine Familie Blauer Aras die sich auf Drängen der Mutter mal Back to the Roots den Urwald ihrer Vorfahren anschauen wollen. Ich bin von der Optik sehr beeindruckt und warte darauf, den ersten befreienden Lacher durch den Saal donnern zu lassen. Aber nichts da, erstmal Rumba Samba Trallalla, ein Kessel Buntes auf Speed lässt grüssen. Neben der Reise zum Amazonas öffnen sich »Pulp-Fiction«-like diverse Storystränge, was für die fünfjährige Cordula bisgen anstrengend wird. Als ein böser brasilianischer Holzhändler mit seinen gedungenen stereotyp-nativen Holzfällern die Szene betritt, befürchte ich gar eine Spontanpetition der Grünen, doch da beginnt auch schon das nächste Rumbafeuerwerk und der mittlere Sohn der siebenköpfigen Familie schaltet erst einmal sein iPhone an und checkt den Facebook-Status. Das Display blendet mich, und ich bin kurz davor, ein Elterngespräch zu führen.

Doch das Fenster zur Welt erlischt und Cordula fängt an zu quengeln. Inzwischen sind die Aras im Dschungel angekommen und die ersten Familienzerwürfnisse nehmen ihren Lauf. Mir generiert es ab und an ein müdes hühü, welches aber sogleich von der nächsten kaleidoskopartigen Tschatschatscha-Nummer überrannt wird. Nach dem der aus Rio stammende Regisseur Carlos Saldanha noch einmal von hinten durch den Baum auf die WM hingewiesen hat, trifft neben den kapitalistischen Holzfällern, noch ein Pärchen ökologisch sozialisierter Ornithologen ein. Da das ein Kinderfilm ist, hat die Tropenholzmafia keine Chance und wird von den Piepmätzen des Dschungels Hitchcockmäßig platt gemacht. Ein leichter Hauch von »Gladiator« weht durch den Saal und Jochen drückt aufgeregt seine kleinen Finger, dass es Once-Upon-a-Time-in-the West-mäßig knackt im Kinosessel. Zum allerletzten Male muss ich eine überbordende musikalische Revuenummer über mich ergehen lassen und darf nach einer 1 ½ Stunde den Saal verlassen. Ich habe jetzt genug von Brasilien und die Kinder möchten ein Eis. Ok sage ich und lade Cordula und Jochen in mein kleines Dolby-Sourround Digital-X Prologic High Definition 3D Work Cinema ein und wir gucken fünf Stunden und 47 Minuten hintereinander Ice Age 1-4. Asso! Eis gabs auch noch, Ätsch!
Ihr Dr. Kurt Hanuschke

https://www.facebook.com/rio.derfilm