12. Mai 2015

Pro und Contra »Elser – Er hätte die Welt verändert«

Wer ist Georg Elser?
Pro und Contra »Elser – Er hätte die Welt verändert«
Oliver Hirschbiegel wendet sich nach »Der Untergang« noch einmal dem „Dritten Reich“ zu. In der Redaktion des Kinokalender Dresden sorgt das Ergebnis für Begeisterung.

Pro
Pünktlich zum 70. Todestag startete in Deutschland der Film über Georg Elser. Bei der großen Kinotour durch Deutschland war der Hauptdarsteller Christian Friedel anwesend, um vor allem nach dem Film, einige Fragen zu beantworten.

Wer ist Georg Elser? Das werden sich sicherlich jetzt viele fragen. Und genau da liegt das Problem. Kaum jemand kennt diesen Widerstandskämpfer, der früh gesehen hat, welche Bedrohung Deutschland 1933 erwartete. Elser ist eine wichtige Figur der Geschichte, die nur leider in den Schulbüchern keine Erwähnung findet. Nicht einmal dem Hauptdarsteller selbst war er bekannt. Und das, obwohl es zum Thema Elser bereits 1989 einen Film gab. Deswegen: Schaut euch den Film an! Verbreitet ihn, zeigt ihn euren Kindern und Eltern.
Worum geht es nun? Der Film richtet sich, wie der Name schon sagt, besonders auf Georg Elser und seine Tat. Er baute eine Bombe und wollte Hitler und seinen Führungsstab bei einer Rede am 8. November 1939 ermorden. Noch bevor die Bombe hochgeht, wird er festgenommen und verhört. Leider fehlten ihm ganze 13 Minuten. Hitler verließ den Münchner Bürgerbräukeller eher, und so tötete Elsers Bombe 8 Unschuldige. In Haft wird Elser gefoltert, um Worte aus ihm herauszukriegen. Als er gesteht, die Bombe allein gebaut zu haben, glaubt ihm niemand. Wie kann ein Einzelner zu so etwas in der Lage sein?

Der Film bezieht sich auf originale Verhörprotokolle, die so auch im Internet zu lesen sind. Doch auch sein Leben vor dem Attentat wird beleuchtet. Durch geschickt eingebaute Rückblenden wird erzählt, wie er überhaupt zu der Entscheidung kam, ein Attentat zu verüben, obwohl er eigentlich Pazifist war.
Christian Friedel spielt den Elser als Frauenhelden und als Widerstandskämpfer hervorragend. Bei den Folterszenen nimmt man ihm den Schmerz wirklich ab und auch die Wut auf die Nationalsozialisten, die sich in ihm aufbaut, kann man an seinem Gesicht gut ablesen. Burghart Klaussner und Katharina Schüttler sind ebenfalls wertvolle Ergänzungen im Cast. Der Regisseur Oliver Hirschbiegel baut den Film dramaturgisch perfekt auf, so dass man nie das Interesse an der Geschichte verliert, obwohl der Hauptakt, das Attentat, schon zu Beginn passiert. Die unterschiedlichen Zeitebenen sind wundervoll durch differenzierte Farbgebungen abgetrennt, so merkt man auch zu Beginn, „dies ist jetzt eine andere Zeitebene, hier war noch alles gut.“

Elser ist ein Geschichtsfilm, der unterhält. Keine öden Fakten, sondern gut verpackte Historie. Durch die Mischung von emotional herausgestellten privaten Eindrücken der Hauptperson in Verbindung mit den Verhören und Folterszenen, wird man an den Charakter Elser gebunden und versteht etwas mehr, was ihn bewegte. Natürlich wird das Klischee der „bösen Nazis“ ebenso bedient, doch auch die moralische Frage nach dem Tod der acht Unschuldigen bleibt im Gedächtnis. Ein Film, der hoffentlich mehr Aufmerksamkeit auf den Widerstandskämpfer Elser wirft.

Pro, Teil zwo:
Nach den ersten Vorführungen des Tom-Cruise-Streifens »Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat« (2008) in den USA äußerten sich Besucher verwundert über die Tatsache, dass es im „Dritten Reich“ Widerstand gegen Hitler und seine Politik gab. Offenbar war über dieses Thema zumindest außerhalb Deutschlands nur sehr wenig bekannt. Die Amis! Doch Moment: Auch in unseren Breitengraden scheint es diesbezüglich noch Nachholbedarf zu geben. Anders ist das kollektive Nichtwissen – zumindest außerhalb der Historikerzunft – um die Person Georg Elser wohl kaum zu erklären. Ob ein Film dies ändern kann? Einen Versuch ist es wert.

Vor allem, wenn er derart viel Diskussionsmaterial liefert wie »Elser«. Hirschbiegel handelt die bekannten(?) Fakten vom misslungenen Attentat gleich zu Beginn ab, um sich dann mit allerlei Fiktion einer Person anzunähern, über deren Handlungsmotive man nur spekulieren kann. Die Dresdner Schauspielhaus-Wundertüte Christian Friedel, der mit seiner Band Woods of Birnam auch musikalisch am Film beteiligt war, verleiht diesem Mann Intelligenz, Lässigkeit, Selbstvertrauen und vor allem Menschlichkeit, während sein Umfeld mehr und mehr der nationalsozialistischen Verführung erliegt. Hirschbiegel benötigt dafür nur wenige Szenen und Schauplätze, macht den um sich greifenden Wahnsinn damit aber durchaus spür- und greifbar.

Dann jedoch begibt sich »Elser« auf heikles Terrain: Denn wer war diese Person vor dem 8. November 1939, dem Tag der Verhaftung? Während sich Hirschbiegel und seine Autoren für die Zeit nach Elsers Festnahme auf zahlreiche Gesprächs- und Verhörprotokolle stützen konnten, bleibt die Quellenlage für Elsers Jugend lückenhaft. Insofern ist die künstlerische Entscheidung, Elsers Vernehmung und die Ratlosigkeit seiner Richter parallel zu Elsers Vorkriegserfahrungen zu montieren, sicherlich die geeignetste, um Leerstellen im Lebenslauf zu kaschieren. Ebenso tut Hirschbiegel gut daran, seinen Protagonisten nicht mit einer weißen Weste auszustatten, sondern als zweifelnden und ob seiner Schuld am Tod von mehreren Zivilisten innerlich gebrochenen Mann darzustellen.

So gelingt ihm und seinem Hauptdarsteller eine Figur, die dem echten Elser vermutlich sehr nahe kommt. Und doch, ein klein wenig Distanz ist angebracht: Denn viele von Elsers überlieferten Äußerungen – und das zeigt der Film durchaus drastisch – stammen aus brutalen Verhören und geben der Aussage eines seiner Folterer, „die Wahrheit wird von uns festgelegt“, einen blutigen Nachgeschmack.

Doch genug der Haarspalterei: Eine lobende Erwähnung zum Schluss verdient die Filmmusik von David Holmes (»Out of Sight«), den Hirschbiegel offenbar noch aus Hollywood-Zeiten kennt. Er verziert seinen klassischen Score hier und da mit sanften elektronischen Tönen, was gleichsam innovativ wie ungewöhnlich erscheint, zum Stil des Films jedoch wunderbar passt. Denn auch Hirschbiegel gönnt sich kurz vor dem Ende einen kleinen stilistischen Ausbruch, der in solcherlei Filmen eher selten zu sehen ist. Ein Querdenker eben, ganz wie sein Filmheld. Gut so!
Csaba Lázár