23. Dezember 2015

So viele Fragen und Filme

Highlights und Flops 2015 - Teil 1
So viele Fragen und Filme
Was waren Highlight, German Highlight und Flop? Welche Filme haben unsere Autoren „Leider nicht...“ oder „Zum Glück nicht gesehen“? Fragen, die für unseren Filmkonsum nicht ganz unwichtig sind (Foto »Alki Alki«).

Hier die Antworten:

Highlight: »Wild Tales«
German Highlight: »Ich und Kaminski«
Flop: »Men & Chicken«
Leider nicht gesehen: »Irrational Man«
Zum Glück nicht gesehen: »The Gunman«

Schon Ende Januar startete mit »Wild Tales« der wüsten Racheorgie des Argentiniers Damián Szifrón, ein Film, der praktisch nicht zu toppen war: Ein Kunstwerk im Geist des one and only Rainer Werner Fassbinder in der B-Movie-Optik von Ed Wood, knallhart, wütend und witzig. Im März kam Thomas Pynchons „Inherent Vice“, kongenial verfilmt von Paul Thomas Anderson in die Kinos, mit dem brillanten Joaquin Phoenix als durchgängig überzeugend bekifften Privatdetektiv Doc Sportello. Ein wirklich langer Film für Freunde der unbequemen Unterhaltung. Woody Allen ließ Phoenix als manisch-depressiven Philosophen in »Irrational Man« antreten. Ein Film, der auch Parker Posey, die fabelhafte Indie-Queen des amerikanischen Kinos groß in Szene setzte.
Hierzulande bewies Wolfgang Becker mit »Ich und Kaminski«, dass er Großmeister der guten Unterhaltung bleibt, anspruchsvoll und leichtfüßig zugleich.
Andreas Dresen, Beckers quasi Antipoden, gelang mit »Als wir träumten« einer der wenigen nicht anekdotischen Filme über die Wendezeit, so authentisch, dass man die DDR zu riechen meinte. Des Dänen Anders Thomas Jensens gewollt krasse Groteske »Men & Chicken« ging hingegen wahrlich mörderisch in die Hose, trotz phantastisch guter Schauspieler.
Sean Penn, bekanntermaßen auch kein schlechter Mime, toppte mit »The Gunman«, für den er auch das Drehbuch mitverantwortete, die Flops der Saison.
Kurz vor Torschluss trieb Daniel Craig trotz Kritikgewitters mit »Spectre« die Besucherzahlen mächtig in die Höhe – und weil ja immer noch mehr geht, schlug das Imperium mit »Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht« auch noch mächtig zu. Fazit: Wenigstens im Kino war die Welt in Ordnung.

Grit Dora

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Highlight: »A Most Violent Year«: Ein Film wie aus einer anderen Zeit mit Schauspieler Oscar Isaac im Al-Pacino-Modus der 1970er-Jahre. Ein smartes, intensives Thrillerdrama, das mehr Beachtung verdient hätte.

German Highlight: »Victoria«: Technisch gewagt, optisch herausfordernd und schauspielerisch hervorragend. Gab es schon oft im deutschen Film, jedoch selten so kompakt.

Flop: »American Sniper«: Widerliches Heldenporträt ohne doppelten Boden und künstlerische Distanzierung, das zudem zweifelhafte Handlungen einer realen Person als gute Tat heroisiert.

Leider nicht gesehen: »Ewige Jugend«: Zwei Schauspiel-Urgesteine (Harvey Keitel & Michael Caine) philosophieren über das Älterwerden – ganz sicher ein cineastischer Genuss.

Zum Glück nicht gesehen: »Fack ju Göhte 2«: Smombies, Verzeihung: respektlose, lärmende Kids mit Sprachdefiziten und Handysucht in geballter Menge unterwegs? Dafür braucht es kein Kinoticket, eine Bahnfahrt genügt!

Existiert noch so etwas wie „Kinokultur“? Angesichts des weiter anhaltenden Trends vieler Besucher, Mobiltelefone während der Projektion auf ihre Funktionalität zu testen, wohl eher nicht. Wie gut, dass die Branche dafür nun ein (falsches?) Gegengift gefunden hat: Statt den Netzempfang in Sälen generell einzuschränken, dienen Lichtspielhäuser inzwischen offenbar nur noch als Werbefläche für den schon wenige Wochen später startenden Verkauf der Filme auf DVD und Blu-ray.
Alternativen bieten momentan lediglich jene Premium-Paläste, die in einigen deutschen Städten immer mehr Zulauf erhalten – mit schnuckeligen Fußhockern vorm Sitz, kleinem Tisch zur Linken und exquisiter Bewirtung am Platz. Bonds »Spectre« in diesem (zugegeben preisintensiven) Ambiente zu sehen, war definitiv ein persönlicher Höhepunkt meines Kinojahres.
Den anderen bescherte mir ein kleines Nischenkino im fränkischen Nürnberg mit einer im doppelten Sinne einmaligen Wiederaufführung des Stallone-Vehikels »Die City-Cobra« von 1986 – auf original 70 mm in schepperndem „Ultra Stereo“-Ton. Ein emotionaler Abend für den Cineasten in mir, der zudem einen Wunsch für 2016 gebar: Zeigt mehr alte Filme im Kino! Holt die verblichenen, zerkratzten Kopien aus dem Keller und huldigt den Klassikern dort, wo sie hingehören: auf großer Leinwand – und nicht auf dem Plasma-TV zu Hause!

Csaba Lázár

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Highlight: Birdman. Obwohl im Januar gestartet, höre ich noch heute dieses Getrommel. Herausragend.

German Highlight: So was gibt es? Ich wähle stattdessen die Australier und den herrlichen Film »Der Kleine Tod. Eine Komödie über Sex«

Flop: Best Exotic Marigold Hotel 2. Obwohl ich alle Alt-Schauspieler mag, war der Film langweilig. Ein Film ohne Biss (und teilweise sicher auch ohne GEbiss).

Leider nicht gesehen: Anton Corbijns »Life«. Ich hoffe auf den nächsten Transatlantik-Flug, denn das ist ein Muss.

Zum Glück nicht gesehen: »Königin der Wüste«. Allein das Plakat mit Nicole Kidman hat mich zum Lachen gebracht. Ein einziges Klischee!

Das Kinojahr 2015 hat gleich zu Beginn Mist gebaut, denn es brachte uns 50 Shades of Schwachsinn. Weichgespülte, fade Filmminuten, die sich anfühlten wie eine sehr lange Rotkäppchen-Werbung. Damit war schon im Februar klar: Das zu unterbieten, dürfte schwer werden. Denn sonst war das alles okay, was 2015 so über uns brachte.

Allen voran natürlich der neue Bond. Sexy, tiefgründig, philosophisch. Da konkurrierte 007 nur mit »Birdman« und mit Matt Damon. Endlich weiß ich, wie ich auf dem Mars Kartoffeln anbauen kann! Wer solche Knaller nicht auf der Großbildleinwand schaut, ist selbst schuld. Bauchmuskelkater gab es 2015 auch oft, z.B. dank des dauerbekifften, verpeilten Joaquin Phoenix im Film ohne Sinn - »Inherent Vice« - und dem Altherrenduo Redford/Nolte, das einem meiner Lieblingsbücher »Picknick mit Bären« ein würdiges Denkmal setzte.

Zum Schluss noch ein Geständnis: Ja, ich habe mich auf den Kinostart der gelben TicTacs gefreut. Was kann ich dafür, wenn die Hasser sich von der Gelbheit genervt fühlen? Ist es übertrieben, dass die Minions für Staubsauger als Testimonial hinhalten sollten? Ja! Schmälert das Stuarts irres Gitarrensolo? NEIN! Hihi...sollte ich gleich nochmal anschauen, dat Ding.
Viktoria Franke

http://www.missingfilms.de