1. April 2016

Bekomm ich´n Oscar oder was?

Erst im Februar sagte ihm das ­Arbeitsamt, er müsse umschulen, nun gewann er den Oscar – Urs Rechn
Bekomm ich´n Oscar oder was?
Erst im Februar sagt ihm das Arbeitsamt, er müsse umschulen, man könne ihm nicht sein Hobby finanzieren. Nun gewann er mit einer der Hauptrollen den Oscar für den besten fremdsprachigen Film – Urs Rechn. Unser letztes Interview im November 2015 endete mit den Worten „hör off, letztes Engagement in Chemnitz und dann bekomm ich´n Oscar oder was?“

Ray van Zeschau: Nun habt Ihr mit Son of Saul den Oscar geholt. Wie fühlt sich dieser Sprung an?
Urs Rechn: Ich habe mir einfach nie vorstellen können, es war nie in meinen Kopp, über den Oscar nachzudenken oder über Hollywood, oder mal dahin und dann kam das. Das überwältigte mich alles so. Es war alles nicht greifbar, Hollywood war nie ne Option für mich. Jetzt aber kam Hollywood und sagte, doch, wir sind eine Option!

Nach 14 Stunden Flug hieß es „The Eagle has landed“, L.A. 25°-30°.
Urs Rechn: Yupp, völlig falsche Klamotten mit gehabt. Ganze Zeit in Baggy Pants und selbst T-Shirt war zu warm.


Ray van Zeschau: Hattest Du genügend Zeit Dich innerlich vorzubereiten?
Urs Rechn: Das ging nicht, von Tag zu Tag wurde es schlimmer, weil ich auch immer mehr damit gerechnet habe and the winner is – Mustang. Ich hab mich eher darauf versucht vorbereitet.
Ray van Zeschau: Vielleicht klüger.
Urs Rechn: Neider gibt es überall und mit den ersten Posts auf facebook aus LA, kam dann hier und da Nachrichten von Leuten von denen ich die letzten fünf Jahre nüscht gehört habe. Ich bin dann natürlich skeptisch und hab erwartet, wenn the winner is nicht Son of Saul, Sachen kommen wie „na ja, Mönsch, s´war dor abor schöön, nii?!“. Ich meine ich komme jetzt zurück und das Leben hat sich erstmal so auch nicht verändert, es gibt ein paar Möglichkeiten und ich kann mir mehr Hoffung in einem Beruf machen, aber an sich hat sich nichts geändert, ich muss am Dienstag zum Jobcenter, meinen Antrag erneuern und wenn ich denen sage, ich hab jetzt grad nen Oscar gewonnen… hehehe.


Ray van Zeschau: Ich hatte auf FB gesehen, dass Du in einer Villa Aurora warst, wo auch Brigitte Nielsen rumsprang und ich erst dachte, Du bist gar nicht in LA, sondern im Dschungel. Was war da los?

Urs Rechn: Vor dem Oscars richtet German Films einen Empfang für alle deutschen Filmschaffenden dort aus, zu dem ich natürlich, wie schon in Cannes nicht geladen war. Andere kommen nach LA lassen sich die Lippen aufspritzen und kommen sofort auf die Gästeliste. Letztendlich wollte ein Pressevertreter der ARD mich mit dabei haben und lud mich ein. In der Villa kam dann Gastgeberin Mariette Rissenbeek von German Films auf mich zu, begrüßte mich und meinte, Mensch wir kennen uns ja noch aus Cannes, da waren Sie ja auch, schön sie zu sehen, worauf ich sagte, ja damals ham se mich ja auch schon nicht eingeladen, worauf sie etwas konsterniert trotzdem ein Foto mit mir für die Pressemappe wünschte. Worauf ich meinte, dafür, dass sie mich nicht eingeladen haben, verlangen sie jetzt aber ganz schön viel von mir. Hüstel hüstel. Es wurden dann alle möglichen Leute vorgestellt und plötzlich hatten irgendwie alle was mit dem Oscar zu tun, bis der Reporter der ARD mich auf die Bühne bat und verkündete, dass hier Jemand sei, der tatsächlich nominiert ist, was dann bisschen für ein Aufzucken sorgte. Plötzlich, ach hätten ich das gewusst, sie sind ja...was, wie, äh, nee, ach, das war mh, vor allem ham die sich da alle über die Berlinale unterhalten.


Ray van Zeschau: Dann war der Tag. Wie bist Du zur Verleihung, Bus, Straßenbahn, Sänfte?
Urs Rechn: Zu Fuß, neein, mit einer Limousine, ne riesen Kiste, mit eigenem Chauffeur. Da auch Joe Biden da war, waren die Sicherheitschecks noch mal erhöht wurden, so dass wir schon 14:00 Uhr losgefahren sind. Nun ging das aber so schnell, so dass wir die Ersten auf dem Roten Teppich waren, die Liveübertragung aber erst 15:30 begann. Das war witzig, ich konnte da hin und her gehen und Publikum war ja auch schon da.


Ray van Zeschau: Haste mal bisschen gewunken?
Urs Rechn: Ich hab gewunken und da war auch so´n Typ der Stimmung machte und meinte, gebt dem Herrn doch noch mal Beifall und ich jaaaaaa!!! Mich kannte keener, aber ich war auf´m Roten Teppich.
…und wieviel Mal bist Du da auf und nieder gegangen?
Urs Rechn: Ich weeß nicht, vielleicht 20-30 mal und die Security hat schon angefangen zu lachen, der schon wieder. Hat einfach Spaß gemacht.


Ray van Zeschau: Wo hat man Dich dann platziert?
Urs Rechn: Ich saß natürlich nicht im First Floor, oder im First Mezzanine, da saß die A-List of Hollywood. Das sind keine Promis, das sind ja fast Götter. Man hat mich dann im Dritten Rang über die Götter platziert.

Ray van Zeschau: Aber das will ja auch schon was heißen, über den Göttern platziert zu werden.
Urs Rechn: Also hinter mir war die Wand, da war Schluss, mehr ging nicht.


Ray van Zeschau: Nun hat es etwas gedauert, bis ihr dran wart. Konntest Du überhaupt still sitzen?
Urs Rechn: Ich war derartig nervös und die gesamte Verleihung allein dauert ungefähr vier Stunden Es war wie bei einem Wettkampf, nur kannst Du da nichts mehr dran ändern. Ich war angespannt wie ein Rennpferd, aber ich hatte nüscht zum rennen. Also bin ich raus und hab versucht meine Anspannung so bisschen wegzusaufen und dieser kalifornische Wein ist wirklich, ooaahrr.

Dann kam unser Cutter und sagte, komm jetzt rein, nur noch drei Kategorien, dazwischen gibt es keine Pause mehr. Also drei Pausen später, nach nem ellenlangen Teil, kam tatsächlich die Ankündigung für den besten fremdsprachigen Film und ich bin immer tiefer im Sitz versunken. Ein Film nach dem anderen, dann wurden wir genannt.

Da gab´s aber auch nicht mehr Applaus als bei dem Film davor, ich orr Mist, ich glaube unsere Chancen sinken, dann kam „Mustang“ der bekam etwas mehr Applaus, nee, ok mein Flieger geht morgen...und die Spannung stieg und ich hab mich so auf meinem Stuhl zusammengeknüllt und eigentlich wollt ich mir die Ohren zuhalten, aber ich wollte es ja auch nicht verpassen, und the winner is... knister raschel knister,.... „Son of Saul“ mir ist alles abgefallen, ich konnte mich nicht kleiner zerknüllen und es war bei mir nur noch so ein uuhuwähääha heul flenn, Cutter Matthieu sprang auf, zog mich nach oben und brüllte mir ins Gesicht O S C A R !!!!! und ich brüllte zurück O S C A R fuck yeah... und der ganze dritte Rang guckte uns so an.

Dann standen alle auf und haben uns applaudiert, während wir wie kleine Kinder brüllten und heulten. Ein unglaubliches Gefühl.

Ich danke für das Gespräch und die tiefgefrorenen Spätzle von Leonardo di Capri.
Ray van Zeschau