30. November 2016

Mit dem vermeintlich scharfen Skalpell ans Zwerchfell der Nation

Die größte Überraschung an diesem Film ist, dass es ihn überhaupt gibt.
Mit dem vermeintlich scharfen Skalpell ans Zwerchfell der Nation
Chapeau, Herr Verhoeven, dass Sie das schaffen, damit konnte vor einem Jahr noch keiner rechnen. Zu einer Zeit, als anderenorts Flaschen und Steine fliegen, und überall Verwirrung herrscht, geht Simon Verhoeven mit dem vermeintlich scharfen Skalpell der Komödie ans Zwerchfell der Nation. Dahin, wo es wirklich wehtut. Aber beißende Satire oder Schmerzen beim Lachen - Fehlanzeige; das hier ist nicht München Die Anstalt.

Das Ringen zwischen Helfersyndrom und Arschlochsyndrom spielt zumeist innerhalb einer Stadtvilla in München Grünwald. In feinster Vorabend-Serien-Optik. Wo Farben schillern und der Soundtrack nervt. Der von Boko Haram zum Vollwaisen gemachte Diallo (Eric Kabongo) wird bei den Hartmanns als Freund willkommen geheißen. Um sich alsbald zum Helfer für die zerrütteten Familienverhältnisse zu wandeln. Den selbstverliebten, cholerischen Chirurgen (Heiner Lauterbach) sowie die hilfsbereite, alkoholkranke Ex-Schuldirektorin (Senta Berger) gilt es zu heilen, den „Chill mal dein Gesicht“ Buben Basti wieder mit seinem Shanghai-Workaholic Vater zu versöhnen und Diallo darf auch, alternativlos bei diesem Cast, Palina Rojinski und Elyas M´Barek in den siebten Himmel schubsen.

Simon Verhoeven, der selbst „kein extremer Freund der deutschen Komödie“ ist, begann im Frühjahr 2015 persönlich hoch motiviert und politisch unkorrekt, eine kleine Posse zu verfassen. Wohlhabende Spießer nehmen Flüchtling auf. Als die Herbst-Ereignisse München überkamen, gewann seine charmante Idee an politischer Brisanz. Und, um es noch einmal zu verdeutlichen, das war Verhoevens Glück. Diese alberne Komödie hätte es ohne seinen Flüchtling und ohne unsere Krise sicher nicht in 3 Wochen auf 1,8 Mio Besucher gebracht.

Zwischen „Film des Jahres“ und „Ihre Suche ergab 0 Treffer“ rangieren die Wertungen in einschlägigen Kino-Medien. So weit geht das Spektrum, dass beim Autor dieser Zeilen, keine einzige Pointe ein Lachen erzeugte, während drei Reihen weiter ein Zuschauer unentwegt durchs Kino grölte. Und was hatten sie nicht alles zu bieten: Witze über Friseure, Vorlesungen, Schwänze, Titten, Botox, Manuel Neuer, Drogen, Schwule, Schwarze, Kriegsspiele, Christen, Pegida, Blondinen, Hippies, Gangsta, Moscheen, Klapsmühle, BND, Nazis, und über die Antifa. Zum Schluss gab es noch einen Witz über Flüchtlinge. Nicht mein Humor. Nicht meine Schickeria.

Wer wirklich etwas erfahren will über Flüchtlinge, möge sich »Les Sauteurs« ansehen. Für die Übrigen bleibt zu hoffen, dass Andreas Dresen endlich kommen und Ezé Wendtoin sowie die Banda Internationale kennen lernen möge.

Rollo Tomasi

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