27. Oktober 2009

Liebes Volk,

Mensch wäre hätte das gedacht?
Liebes Volk,
Selbst ich nicht, der die Ereignisse des 9. November, ohne Quatsch jetzt, bereits 1986 geträumt hatte. Nun nicht gleich mit Günter Schabowski und so aber doch in seiner Grundstruktur bemerkenswert identisch.
In meinem Traum 1986 kamen irgendein paar Freunde und berichteten, dass die Mauer auf wäre, und man lediglich mit seinem Personalausweis reisen dürfe. Also fuhren wir nach Westberlin und begaben uns zu einem Checkpoint, der im Traum dem Übergang Bahnhof Friedrichstraße sehr ähnlich war. Meine Freunde zeigten alle ihre Ausweise und konnten den gekachelten Gang Richtung Westberlin passieren. Als ich an der Reihe war, bemerkte ich... Scheiße wo ist mein Ausweis! Nervös und vorahnend durchforstete ich sämtliche mir bekannten Stellen meiner Klamottage. Meine Freunde traten schon nervös auf der Stelle, los jetzt mach mal hin, sagten sie immer wieder. Als sich abzeichnete, dass ich mein Personaldokument wahrscheinlich nicht finden werde, begannen meine Kumpels sich rückwärts bewegend langsam Richtung Westen mit den halb entschuldigenden Worten, „...äähh, ..wir machen dann schon mal los...“ zu verdünnisieren. Tja und fast genau das passierte mir drei Jahre später am 9. November. Es war abends, ich wollte gerade in die Kiste gehen, da ich Frühdienst hatte, als plötzlich mein Freund Dr.H.G. reinstürmte und rief „..die Grenze ist offen und man braucht lediglich seinen Personalausweis“. Da ich meinen Ausweis selbstverständlich nicht finden konnte, vermutete ich diesen auf Arbeit im Großen Haus des Staatsschauspiel Dresdens. Da wir natürlich alle gemeinsam nach Westberlin einreiten wollten, verabredeten wir uns für 3:00 Uhr Nachts am Hauptbahnhof. Also lief ich erstmal ins Große Haus um meinen Ausweis zu holen. Dort angekommen durchwühlte ich meinen Schrank und konnte, na logisch, diesen nicht finden. Bedröpelt und angefressen verließ ich das Gebäude. Ca. 100 Meter weiter fiel mir plötzlich mein Traum aus den Jahre 86 wieder ein und ließ mich erschaudern. Da dies ja nun alles nicht war sein konnte, fing ich an meine Wohnung auf den Kopf zu stellen, allein es half nichts und es war, als hätte ich nie einen Persi besessen. Bedient und mich geschlagen gebend, legte ich mich schlafen. Gegen 3:30 Uhr kam mein Freund Dr. H.G. in mein Zimmer gepoltert, um mich äußerst gereizt zu fragen, wo ich den um Gottes Willen bleiben würde. Ich erzählte ihm mein Missgeschick, welches er aber nur für eine Ausrede hielt und glaubte ich hätte keine Lust und wolle nur pennen. Dann verließ er die Wohnung, mit den sich nicht entschuldigenden Worten, dass er jetzt los mache. Am nächsten Morgen ging ich niedergeschlagen ins Große Haus, wo eh kaum irgendjemand da war. Also legte ich mich in meinen Aufenthaltsraum aufs Sofa, 1989 ging das noch, und malträtierte mein Hirn, wie ich es zuvor noch nie getan hatte. Eine Stunde später wusste ich, wo mein Ausweis war. In der Nacht des 11. November, vorher gab es keinen Zug, fuhr ich mit meinem Kollegen Udo Nitzsche Richtung Berlin, Bahnhof Friedrichstraße. Dort angekommen, musste man sich die Treppen hinab begeben, um in die gekachelten Gänge des Grenzüberganges zu gelangen. Da Udo Nitzsche und ich die ersten auf der Treppe abwärts waren, bemerkten wir, dass unten um die Ecke, was von oben nicht einsehbar war, bereits Hunderte an der Passstelle anstanden. Kurzfristig entschieden wir uns um, uns der Menschenmassen, dem Volk zu entziehen und dass es doch cooler wäre über den Checkpoint Charlie zu gehen. Also machten wir kehrt auf der Treppe und gingen wieder hoch. Als mich die verunsicherten Augen, der aus dem Dresdner Zug strömenden Menschen erfassten, die die wartende Schlange um die Ecke noch nicht erblickt hatten und die richtig bemerkten, dass wir „falsch“ herum gingen, brüllte ich laut und vernehmlich in die Halle des Bahnhofes Friedrichstadt: „Hier geht’s nur zu den Toiletten!!!!“, was den Effekt hatte, als hätte man in einen Ameisenhaufen gepinkelt. Das Chaos hinter uns lassend, liefen Udo Nitzsche und ich gemütlich die Friedrichstraße, Richtung Check Point Charlie entlang und uns vorstellend, wie wir nun unsere 25 bzw. 26 Jährige Gefangenschaft hinter uns lassen werden. Nun werden sich einige fragen, was dies hier alles mit Kino zu tun hat. Das werde ich Ihnen sagen, liebes Volk: Die schönsten Drehbücher schreibt das Leben selbst! ...habe ich das nicht schön formuliert?
...na ich denke doch!

Schöne Feiertage und beste Grüße an Udo Nitzsche.

Euer freiheitlicher Dr. Kurt Hanuschke