29. Dezember 2010

Dresdner Kinobetreiber blicken zurück auf das Kinojahr 2010

Was war da eigentlich?
Das Kinojahr 2010 - was war da eigentlich neben jeder Menge erstaunlicher Filmangebote, einem ungeahnten 3D Boom, der zu neuen Einspiel- und Besucherrekorden führte, großartigen Filmmomenten und turbulenten Wetterbedingungen?
Die Kinokalenderredaktion


Den Kinobetreibern der Stadt Dresden wurden folgende Fragen gestellt. Wir baten um prägnante, gern auch pointierte Antworten:
1. Neben 3D und Digitalisierung, welches waren die wichtigsten Ereignisse 2010?
2. Die besten fünf Filme 2010? Gibt es unterschätzte Geheimfavoriten?
3. Die schönsten Momente?
4. Wünsche und Pläne für 2011


Casablanca: Wolfhard Pröhl

1. 13. Februar - Nazis gestoppt
Im April: Jüdische Filmwoche der Botschaft des Staates Israel gemeinsam gestaltet mit Hatikva e.V. und im Nachgang eine deutsche Erstaufführung in Form eines Sonder-Screenings, bei der Regisseur Eric R. Scott anwesend war.

2. Fish Tank
Troubled Water
Ein Sommer in New York - The Visitor
Welcome
Lisette und ihre Kinder

Leider total unterschätzt:
Pianomania - wenn Handwerk über Leidenschaft und Kompetenz zur Kunst wird

3. Mein erster Urlaub als Kinobetreiber, mit einer prima Vertretung durch das Casablanca-TEAM sowie super Filmterminierung durch Stefan, Conny & Frank!

4. Verschiebt die hochgelobte Digitalisierung bis sie:
a) nicht zur Profitsteigerung führt sondern IN DEN KINOS eine Quatitätsverbesserung und keine Verschlechterung bringt sowie
b) nicht zum Sterben kleiner Programmkinos führt - also auf 2013 ff.


CinemaxX Dresden: Theresa Gerstenberger

1. Das 3. Kinderfest "MOViE the Kids“, die Deutschland-Premiere von Vincent will Meer und die L-Filmreihe mit außergewöhnlichen Premieren

2. Avatar
Inception
Up in the Air,
Vincent will Meer
Der kleine Nick

3. Schöne Premieren, breites Filmangebot und glückliche Kinderaugen, was will Kino mehr?! Dazu kommen die neuen digitalen Möglichkeiten.

4. Weiter tolle Filme und spannende Kinoabende.

KIF – kino in der fabrik: Conny Apel & Frank Apel

1. Wir haben so viel lustigen Alltag, dass wir auf die wichtigen Ereignisse durchaus verzichten können. Und ganz ehrlich, 3D wollen wir gar nicht, denn wer 3D schaut, hat die Brille auf. Wir sind glücklich über ein Publikum, das die Qualitäten von Filmen zu schätzen vermag, ohne dass ihm die Hauptdarsteller auf der Nase herumtanzen. Und für diese Art Kino wird es so lange Filme und Menschen geben, wie es Kino geben wird.

2. Frank: Sin Nombre, Ondine,
In ihren Augen, Ein Mann von Welt, Kinatay, überschätzter Geheimtip – Inception; Conny: Rückkehr ans Meer, Inception, In ihren Augen, A Single Man, The Road

3. Ein etwa vierjähriger Besucher erklärt während einer Vorstellung von Der kleine Nick erst dem Haupthelden auf der Leinwand, dann seinem Opa und schließlich unter wachsendem Beifall dem gesamten Publikum lautstark, wie das mit dem Baby kriegen geht.

4. Wir wünschen uns ein Publikum, das die Lobeshymnen der Kritiker wohlwollend zur Kenntnis nimmt und ihre Verrisse überblättert.
Dann wünschen wir uns noch Premieren mit Quentin Tarantino, Woody Allen, Tom Tykwer, Roman Polanski u.a. in persona und ganz wichtig keinen Florian von Donnersmarck!


Programmkino Ost GmbH: Sven Weser, Jana Engelmann

1. Fürs Ost reicht, bei Bedarf, weiterhin die reguläre Brille. Auch Pixel sind auf der Leinwand noch nicht zu sehen. Die Umstellung auf digitale Projektion wird aber auch bei uns kommen und das ist, nach Abstellung diverser Kinderkrankheiten, gut so. Dem Publikum dürfte dies jedoch relativ gleichgültig sein, da es weiterhin wegen der Filme ins Kino gehen wird und nicht wegen der Technologie der Projektion.
Der wohlwollende und zählbare Zuspruch unserer Besucher im ersten vollen Programmjahr nach unserer Erweiterung hat uns beglückt und darin bestärkt Vieles richtig gemacht zu haben.
2. Es gab eine Menge, vom Publikum unterschätzter, Meisterwerke, denen man einen größeren Erfolg gewünscht hätte. Eindrucksvolle und überzeugende Crossover-Erfolge wie 2009 mit Slumdog Millionär und Der Vorleser fehlten vollständig. Die Anzahl der verkannten guten Filme ist Ausdruck der Krise des deutschen Filmkunstmarktes mit viel zu vielen Filmen und der weiter zunehmenden Orientierung des Publikums auf unterhaltsames Wellness-Kino.
Die Top 5 Sven & Top 5 Jana:
1. Welcome A single man
2. Die Fremde/Mademoiselle Chambon
3. Nothing Personal Welcome
4. In Ihren Augen/Ein Mann von Welt
5. Mary & Max Die Affäre

3. Passanten-Zuruf beim täglichen Schneeschippen im Dezember: „Und bitte auch die Fahrradständer!“, Stammbesucherin: „Wenn ich mal meinen Job verliere, würde ich gern hier anfangen.“
Der Erfolg des Projekts „Filme vom Abschied“ mit eindrucksvollen Experten-Gesprächen und der Veranstaltungen im Rahmen der Tschechischen Kulturtage - Dank an unsere Kooperationspartner!
Die deutschen Regiestars Tom Tykwer (Drei), Hans Christian Schmid (Sturm, Oskar Roehler (Jud Süss-Film Ohne Gewissen) sowie das charmante Schwester- Bruder- Gespann Anna und Dietrich Brüggemann (Renn Wenn Du kannst) zu Gast im Ost

4. - weiterhin Besucher die uns immer wieder wissen lassen: „Schön dass es Euch gibt!“
- ein mit Hits gespickter verregneter Hochsommer
- guter Service wird besser: EC-Kartenzahlung wird 2011 eingeführt


Thalia – Cinema . Coffee & Cigarettes: Stephan Raack

1. Da wir beides für nicht ganz so wichtige Ereignisse halten, so ziemlich jedes andere wichtige Ereignis...

2. Unterschätzte Geheimfavoriten sieht man in Programmkinos mehrmals täglich. Unsere Top 5:

The Exploding Girl (OmU)
Moon (OmU)
Mary & Max (OmU)
The Good Heart (OmU)
Ein Prophet (OmU)

3. Das Filmfest Dresden zu Gast im Thalia: Eine Absturzspielstätte ganz in goldgelb getaucht und Eierlikör bis zum MorgenGrauen...

4. Wünsche:
Schlummeraffiner cineastischer Nachwuchs, weltweit digitaler Datenverlust durch einen magnetischen Polsprung und ein Adapterkaufhaus in der Neustadt.

Pläne:
„Wenn du Gott zum lachen bringen willst, dann erzähle ihm von deinen Plänen“ Wer zu allererst den Film errät, bekommt einen Kaukau mit Sahne an unserer Bar. Mitarbeiter, Johannaväter und Saxophonisten sind vom Preisrätsel ausgeschlossen.


UCI Kinowelt Elbe Park: Ralf Steinig

1. 3 D und Digitalisierung war im Jahresrückblick nun einmal am wichtigsten, da es erhebliche Veränderungen für die gesamte Kinobranche mit sich bringt. Auch die Neueröffnung des Elbe Park war für uns ein großes Ereignis, besonders da das Einkaufscenter jetzt wieder sehr attraktiv geworden ist und viele kostenlose Parkplätze zur Verfügung stehen, die durch den Umbau oftmals fehlten.

2. Unterschätzter Geheimfavorit war für mich Friendship und die besten Filme waren bei uns:
Avatar, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 1,  Disneys Rapunzel sowie Inception und Friendship.

3. Tolles Kinoerlebnis war der Besuch der Schauspieler Mathias Schweighöfer und Friedrich Mücke zum Bundesstart von Friendship. Beide schrieben bis nach Mitternacht für 600 Besucher Autogramme und konnten dadurch erst nachts weiter nach München fahren, um dort bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreis dabei zu sein.
Auch die erste Fußball-3D-Liveübertragung des WM-Spieles Deutschland gegen Spanien, die wir als einzige in Dresden anbieten konnten, war sehr beeindruckend.

4. Viele schöne Kinofilme.


UFA-Kristallpalast Dresden: Stefan Plötze

1. Leider kann man das Thema 3D nicht komplett aus dem Jahresrückblick streichen. Das Dresdner Publikum sondiert sehr genau das Filmangebot. Nur weil "3D" auf dem Plakat steht, muss der Film noch lange nicht sehenswert sein. Avatar hat in diesem Bereich sicherlich Maßstäbe gesetzt, die jedoch kein anderer 3D Film nur annähernd erreichen konnte. Viele kritische Stimmen unseres Publikums zu Filmen wie beispielsweise Kampf der Titanen zeigen: Es muss nicht immer 3D sein. Auf die Geschichte, die Schauspieler und ihre Leistung sowie eine gute Regie kommt es an. Vielen Dank an das kritische Dresdner Kinopublikum!
2. Inception
Harry Potter - und die Heiligtümer des Todes
Eclipse - Biss zum Abendrot
Friendship!
Sex and the City 2
Sehr schön, dass sich mit Friendship! ein deutscher Film in den Top 5 platzieren konnte. Schade, dass es Filme wie The Social Network, Drachenzähmen leicht gemacht oder Prince of Persia nicht weiter nach vorne geschafft haben.

3. Alternativer Content wie z.B. Liveübertragung von Konzerten und Sportereignissen gehören seit der Digitalisierung zum Repertoire eines Kinos. Diese jedoch auch in 3D zu realisieren, gehörte zu den schönsten und aufregendsten Momenten im Jahr 2010.

4. Der große Umbruch mit kompletter Digitalisierung steht für 2011 an. Es wird eine turbulente Zeit, da Filmverleiher, Logistiker und Kinobetreiber gewohnte Abläufe komplett umstellen müssen. Bleibt uns nur noch, allen Kinogästen und Partnern ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2011 zu wünschen. Es würde uns freuen, wenn Sie uns auch im kommenden Jahr treu sind und Filmreihen wie z.B. das Traumkino weiterhin eine so positive Entwicklung nehmen dürfen.


Filmtheater Schauburg: Stefan Ostertag

Wo hat sich 2010 das anspruchsvolle, interessierte und weiterdenkende Publikum versteckt, das früher so wunderbar neugierig und aufgeschlossen die Vielfalt der Filmkultur entdeckte? Sind die Kinoeintrittspreise in Dresden zu hoch oder zu niedrig? Wird sich 3D beim Besucher langfristig wirklich durchsetzen? Gibt es noch Mitbürger, die sich für politische Themen auf der Leinwand interessieren? Ist die überaus kostenintensive und technisch unübersichtliche Digitalisierung der Kinos wirklich ein Fortschritt in Richtung Vielfalt oder doch nur eine breit angelegte Marktbereinigungsinitiative? Aus welchem Medium bezieht der Kinogänger heutzutage seine Informationen und was ist für ihn der ausschlaggebende Punkt sich für Film X, Y oder Z zu entscheiden? Sind Jugendliche wirklich nicht mehr in der Lage sich für 90 Minuten auf eine fortlaufende Geschichte ohne Werbepause zu konzentrieren? Gibt es noch Menschen, denen der Unterschied zwischen einem Großbildfernseher im Wohnzimmer und der Atmosphäre in einem Kinosaal bewusst und wichtig ist? Starten wöchentlich zu viele Filme und ist der normale Kinogänger damit überfordert? Sind die Menschen nur noch mit „Events“ zu erreichen? Spielen im Kino gute Geschichten und Schauspielerleistungen überhaupt noch eine Rolle oder ist Action das Maß aller Dinge? Wie viele Mitarbeiter sollte man beschäftigen, um alle Internetquellen und sozialen Netzwerke mit allen wichtigen Kinoinformationen zu versorgen?

Dies ist ein kleiner Auszug aus dem großen Fragenkatalog, mit dem sich ein seit 16 Jahren mit der Kinobranche verwachsener und nach wie vor hochmotivierter Liebhaber anspruchsvoller und schräger Filme wie Kultur in den vergangenen zwölf Monaten fortlaufend beschäftigt hat/beschäftigen musste. Vielleicht bringt ja das Jahr 2011 ein paar Antworten!? Viel ist im vergangenen Jahr im traditionsreichsten Dresdner Kino passiert - das Motto „FILMKULTUR & mehr...“ wurde mit Leben erfüllt! Wir wünschen allen Kooperationspartnern und Freunden unseres Hauses ein friedliches Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr!