3. Mai 2012

Amüsanter Trash oder geschmackloser Unsinn?

Pro und Contra »Iron Sky«
Amüsanter Trash oder geschmackloser Unsinn?
Iron Sky spaltet die Redaktion des Kinokalender Dresden.

Pro:
Die Freude stand ihm sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben: Als der finnische Regisseur Timo Vuorensola erfuhr, dass sein Werk »Iron Sky« seine Weltpremiere auf der Berlinale 2012 feiern würde, ließ er die Welt mit einer Videobotschaft via Internet an seinem Glück teilhaben. Zu Recht: Denn einerseits dürfte es in der langen Geschichte des Filmfests noch nie ein Werk derartigen Inhalts gegeben haben, andererseits zählt »Iron Sky« dank des so genannten „Crowd Funding“ zu einem der ersten Filme, die teilweise mit Fan-Spenden auf die Beine gestellt wurden. Dieser Fakt erscheint um so überraschender angesichts der absurden Geschichte, die »Iron Sky« erzählt:

Einigen Nazis ist es kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs gelungen, mit „Reichsflugscheiben“ heimlich auf den Mond zu fliehen. Dort nutzten sie Zeit und Abgeschiedenheit, um eine Invasion der Erde anzugehen. Die Weltherrschaft fest im Blick, wollen sie nun, im Jahr 2018, einen Angriff starten. Unfreiwillige Hilfe erhalten sie dabei von dem amerikanischen Astronauten James (Christopher Kirby), der im Rahmen einer Wahlkampagne der US-Präsidentin auf den Erdtrabanten geschickt und von den Nazis gefangen genommen wurde. Zwar wehrt er sich nach Kräften, doch erst mit der Hilfe der Lehrerin und Vorbildarierin Renate (Julia Dietze), der die Unmenschlichkeit ihrer Ideologie sukzessive bewusst wird, gelingt es James, die Invasion zu sabotieren.

Nach solch einer Inhaltsangabe verwundert es kaum, dass Regisseur Vuorensola so lange nach Investoren suchen musste. Das Endprodukt ist aber weit mehr als die üblichen Trash-Granaten, die beispielsweise der Sender TELE 5 wöchentlich zu bieten hat: Zwar bietet »Iron Sky« Naziklischees im Übermaß, gleichzeitig jedoch herrliche Überspitzungen und sogar politische Seitenhiebe, die zeigen, dass die Macher durchaus wissen, wie eine ordentliche Satire auszusehen hat. So muss sich der unverwüstliche Udo Kier (wer sonst?) als Hitler-Nachfolger mit der Krux herumschlagen, den Namen Kortzfleisch zu tragen – und einem selten dämlichen Volk vorzustehen, dem ein zünftiges „Heil Kortzfleisch“ einfach nicht über die Lippen kommen will. Der ach so geniale hauseigene Professor hingegen verabreicht seiner schwarzen Geisel zwar ein „arisierendes Albinoserum“, um ihm eine weiße Hautfarbe zu geben, scheitert allerdings an der Bedienung eines Mobiltelefons. Auf der Erde freut sich derweil eine kriegsgeile amerikanische, brillentragende Präsidentin auf die große Schlacht, während Nordkorea verzweifelt versucht, der lachenden Weltgemeinschaft zu erzählen, dass seine Armee für die Raketeneinschläge aus dem All verantwortlich sei.

Es sind Ideen wie diese, aus denen »Iron Sky« seinen brachialen Humor zieht und 90 Minuten lang prächtig unterhält. Auch optisch gibt es wenig zu kritteln: Trotz begrenzter finanzieller Mittel beeindruckt die Low-Budget-Produktion mit einer Vielzahl an visuellen Effekten, die zwar nicht mit den Zerstörungsorgien von Konkurrent »Battleship« mithalten können, dafür aber zeigen, was allein mit Kreativität und Herzblut auf eine Leinwand gezaubert werden kann. Und wem das nicht genügt, der bekommt mit dem mutig-satirischen Ende noch eine nachdenkliche Note als Sahnehäubchen obendrauf.

»Iron Sky« verschafft uns endlich wieder die Möglichkeit, über die dumm-dämliche Weltanschauungs-Logik der Nazis zu lachen. Ihr – laut Film – jahrelanges Verstecken auf der Rückseite des Mondes und ihr dilettantischer Versuch, die Herrschaft über die Erde zu gewinnen, sind gleichzeitig ein wunderbares und kluges Bild dafür, dass dieses Pack auf unserem Planeten keinen Platz hat. Punkt.
Csaba Lázár


Contra
Trash oder "richtiger" Film? Das ist doch hier die Frage. Entstanden ist ohne Frage ein vergnügliches und subversives Werk - ein deutscher Film hätte sich wohl kaum diese Frechheiten und politisch unkorrekten Seitenhiebe leisten können -, dass die Zuschauer begeistert und auch in Scharen ins Kino lockt. Denn wann gibt es schon mal so viele derbe Spässe von Albinoserum über Smartphoneakkus bis zu schwarzem Rassismus sowie Seitenhiebe auf Chaplin, Swastikas und UN.

Aber auch hier sei es gestattet, ein wenig kritisch hinter den Vorhang zu blicken. Größter Kritikpunkt bleibt die Unentschlossenheit. Sehen wir Anfangs einen ambitionierten Science-Fiction Film über eine Art Alters-WG Ewiggestriger auf den Mond, liebevoll am Computer entworfen und mit charismatischen Schauspielern zum Leben erweckt, wandelt sich der Film mit Ankunft der ersten Untertasse in NYC zu einem grobschlächtigen und im besten Sinn des Wortes trashigen Film. Die moderne Mediendemokratie USA wird als hart an der Endzeit segelnden Präsidialdiktatur vorgeführt, der die Reinheitsgebote der nationalsozialistischen Urenkel neuen Schwung geben. Die bis dahin vorbildlichen Bildwelt zerbricht optisch und dramaturgisch. Ab diesem Zeitpunkt wird es echter Trash, unerklärliche Handlungen, abrupte Wechsel und fehlende Liebe zum Detail zerreißen den Film.

Erst mit Beginn des Kampfes der zerstrittenen Völkergemeinschaft findet der Film in das Fahrwasser des korrekten Zukunftsfilm zurück und bietet einen optisch beeindruckenden Endkampf im Weltraum inklusive abscheulichen Atombombenangriffs auf die Mondbasis mit Frauen und Kindern. Aber auch die Götterdämmerung kann den Endsieg nicht mehr herbeiführen, denn im Inneren hat sich Frau Richter gegen den neuen Führer gestellt. Am Ende bleiben ein abgebissener Mond und eine stark zerschossene Erde, vermutlich so etwas wie eine Friedensbotschaft.

Also trashiger Science-Fiction oder doch Zukunfts-Trashfilm? Wohl beides und das ist das Problem des Films - unentschlossen, nicht konsequent zu Ende erzählt und inszeniert.
Trotzdem bleibt es ein gelungener Filmspaß, der viel näher an unserer Wirklichkeit ist, als es auf den ersten Blick scheint. Zu aktuell sind die Bezüge zur Desorientierung in unsere Mediendemokratie, den Egoismus in den internationalen Beziehungen und die Kritik an Ideologien, gleich welcher Art.

Kurz noch zu einem Mythos. Der Film gilt als schickes Beispiel für „Crowd Funding“, jedoch wurden gerade 10% dadurch eingespielt. Der Film ist mit seinem 7,5-Millionen-Euro-Budget dann doch eher ein klassischer europäischer Förderfilm mit recht korrekten Finanzmitteln. Zum Vergleich, durchschnittliche europäische Kinoproduktionen müssen mit um die 10 Mio. Euro auskommen und die Herstellungskosten für einen 90-minütigen Fernsehfilm betragen ca. 1,5 Mio Euro.
Mersaw

http://www.ironsky-derfilm.de