4. Oktober 2012

Krach machen & kämpfen

In der Schauburg »Das grüne Wunder« erleben
Krach machen & kämpfen
Die Kinder maulen, weil es kein Popcorn gibt. Nur mitgebrachte Weintrauben. Und weil wir nicht in einen „richtigen“ Kinderfilm gehen. Es gilt »Das grüne Wunder – Unser Wald« zu besichtigen. Achtung, Bildungsauftrag. Der gute alte Fritz-Lang-Saal ist inzwischen nicht größer geworden, dafür aber ziemlich voll. Wie so oft dauert es ein paar Minuten, bis der Filmvorführer das Bild scharf kriegt, aber das macht nichts. Inzwischen haben alle ihr Essen ausgepackt. Picknickatmosphäre. Passt schon.

Wir sehen Fuchsbabies und Frischlinge. Jan Haft, der Dokumentarfilmer, ist nicht auf der Suche nach Exoten, sondern zeigt Vierbeiner, Kreucher und Fleucher des heimischen Waldes. Kennen wir aus dem Wildgehege. Gähn. Und von zu Hause. Wir sind die ganz harten Waldwissenden. Nicht in Sachen Flora und Fauna, sondern mehr so allgemein. In unserem Buchenwald fressen die Wildschweine jede Nacht die Eicheln weg. Bleibt nichts übrig für Kastanienmännchen. Wir meckern. Unvermittelt startet der Film mit einem Atem beraubenden Hin- und Her zwischen Zeitlupe und Zeitraffer durch. Knospen öffnen sich, Pollenstaub fliegt, es wird wild herumbefruchtet, geboren, gestorben und restlos verwertet. Denn merke: „Im Waldkreislauf fällt kein Müll an.“ Das ist einer der seltenen sachlichen Sätze, die Benno Fürmann sagen darf. Auf die Ohren gibt es viel Lyrik. Da ist vom „Liebesspiel mit dem Wind“ die Rede, von „schlafenden Riesen“ (Bäume!), von den „Großäugigen, den Heimlichen, den Jägern der Nacht.“ Sind aber bloß Eulen, keine Vampire. Noch nicht mal Fledermäuse, huhu.

Fürmann versucht tapfer, neutral zu sprechen, verfällt aber in sonores Säuseln. Gelegentlich schleichen sich laszive Untertöne ein. Etwa wenn er erklärt, warum der Hirsch an sich Geweih trägt. Die Hirschkuh, ja, das wussten wir schon. Geröhrt werden muss. Und im deutschen Wald sowieso. Zum Glück zeigt der Regisseur, dass Hirsche nicht nur Krach machen und kämpfen. Es wird auch verdaut und ausgeschieden. Jäger sagen dazu angeblich „Losung“. Und Kinder: „Guck mal, das ist wie beim kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat!“ Yoh! Hirsch kackt, Mistkäfer frisst, Kröte kommt. Heftet den Käfer an ihre elend lange rosa Schleim- und Glibberzunge. Mistkäfer verschwindet. Fressen und gefressen werden. Makroaufnahme in Slow-Motion. Der absolute Horror-Trip. „Mama, ich hab Angst!“, brüllt das Dreijährige. „Iiih, hat die jetzt auch die Kacke mitgefressen?“, schreit das Schulkind. Keine Ahnung, aber ja klar. Bestimmt. Das nennt man äh, Nahrungskette. Wir hören auf zu quatschen, denn jetzt geht es mit endoskopischer Hilfe ins Innere eines Schleimpilzes. Sehr beeindruckend, aber die Krötenzunge ist nicht zu toppen. Ameisen sehen aber auch gefährlich aus. Wie wild gewordene Kleingärtner mit Giftspritzen. Ein Eichelhäher lässt sich von ihnen die Parasiten wegätzen. Aua. Die menschelnden Assoziationen stellen sich vermutlich wegen der Musik ein. Die nervt mit steilen Gefühlsvorlagen. Zu viele Noten, zu viel Pathos. Wir sind im Wald, nicht in Walhall! Warum werden Bestäubungsvorgänge immer mit sphärischen Klängen illustriert? Wegen der schwerelosen Wirkung? Wieder ein Film, der ohne Ton einfach fabelhaft wäre.
Grit Dora

http://www.dasgruenewunder-derfilm.de